Ein Debattenbeitrag von René Lindenberg
Als Martin Schulz vor wenigen Tagen mit Lars Klingbeil seinen Kandidaten für das Amt SPD-Generalsekretärs benannte, war sie wieder gekommen: Die Zeit der Interessegruppen und –grüppchen in der SPD. Es war zu Zeit zu sagen, warum Klingbeil nicht Generalsekretär werden dürfe ...
... weil er Niedersachse ist, weil er keine Frau ist, weil er Seeheimer ist, ... . Die Reihe wäre nahezu unendlich erweiterbar, denn Gruppen in denen unterschiedlichste Eigenschaften, Interessen oder andere Merkmale Grund für eine Organisation innerhalb der Sozialdemokratie sind, gibt es viele. Natürlich haben einige von diesen auch eine tatsächliche Berechtigung, weil sie wichtige gesellschaftliche Gruppen, die auch außerhalb der SPD Bedeutung haben repräsentieren und auch deren Debatten wiederspiegeln. Viele spiegeln mangels Masse innerhalb der SPD die gesellschaftlichen Debatten ihrer jeweiligen Interessengruppe aber nur unzureichend wieder. Der Anspruch innerhalb der SPD kann aber umso größer sein.
Zurück zu Lars Klingbeil. Außer bei der Vorstellung durch Martin Schulz spielten die Eigenschaften die ihn für dieses Amt qualifizieren in der Debatte innerhalb der SPD keine Rolle. Klingbeil hat es geschafft mit einer kontinuierlichen Arbeit in einem konservativen Bundestagswahlkreis (Rotenburg I – Soltau-Fallingbostel) diesen für die SPD direkt zu gewinnen und für sich auch viele Wählerinnen und Wähler zu gewinnen die mit der Zweitstimme (noch) nicht SPD gewählt haben. Darüber hinaus ist er einer der ganz wenigen Köpfe innerhalb der SPD der für das Thema Digitalisierung und Netzpolitik steht. Ein Thema das die politische Agenda der nächsten Jahre bestimmen wird, ob es die SPD besetzt oder nicht. Die Entscheidung von Martin Schulz scheint also tatsächlich überlegt gefällt worden zu sein.
Das trotzdem die alten Reflexe zum Vorschein kamen sollte uns zu denken geben. Zu oft sind Wahlen in der SPD nicht mehr wirkliche Wahlen gewesen, sondern fein zwischen den Lagern, Interessen- und Sondergruppen austarierte und im Vorfeld abgesprochene „Gymnastikübungen“ im Armheben oder Kreuzchenmachen. Wirklich etwas zu Entscheiden gab es mangels im Vorfeld organisierter Mehrheit nicht mehr wirklich. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber das Phänomen findet sich auf allen Ebenen und führte oft dazu, dass die Anzahl der zu besetzenden Positionen von der Anzahl der Kandidatinnen und Kandidaten nicht überschritten wurde. Damit sollte Schluss sein. Die Kritiker der Nominierung von Lars Klingbeil, weil er nicht dies oder jenes ist, sollten sich aufmachen und im Dezember ebenfalls kandidieren. Möglichst mit einem eigenen Profil und inhaltlichen Vorstellungen als Begründung für die Kandidatur und bitte nicht weil ein innerparteilicher Proporz befriedigt werden soll. Damit muss Schluss sein. Denn etwas mehr Wettbewerb täte der SPD gut, der gehört nämlich zu Demokratie.
Dieser Beitrag erschien im Newsletter der Erfurter Sozialdemokratie. Weitere Beiträge sind:
- #SPDerneuern: Bericht von der UB-Vorsitzendenkonferenz
- Besuch beim Tennisclub Rot-Weiß
- Europas Sicherheits- & Außenpolitik in Zeiten von Trump